Mein Lebensmittelhändler hatte doch heute wirklich eine Besonderheit und Kuriosität in seinem Weinregal stehen: Einen Pinot Grigio aus Venedig von 1992 (!).
Vermutlich hatte er die Erlaubnis – auch wenn es bizarr klingt –, den Keller einer verstorbenen Kundin zu räumen und dortige gefundene Besonderheiten in seinen Sortimentsbestand im Laden zu übernehmen. Denn es befand sich ebenso ganz neu ein Müller-Turgau vom Kaiserstuhl von 1989 (!) nun in seinem Angebot. Ich argumentierte sofort, diese 23 Jahre alte Weinkuriosität Kunden aus der ehemaligen DDR anzubieten, denn zu dieser Zeit hatte die DDR ja noch existiert – auch wenn der Wein damals in der BRD in Südwestdeutschland abgefüllt worden ist. Ein weinseliger Abend in alten Erinnerungen wäre somit sicherlich vorprogrammiert.
Den Pinot Grigio habe ich mir ziemlich schnell reserviert. Es bewahrheitete sich aber dennoch der alte Ausspruch von Weinkennern: Weißwein sollte man jung und spritzig trinken, Rotweine dagegen nehmen mit dem Alter immer mehr an Gehalt zu.
Ich habe bei diesem Wein die alte Vorgehensweise wieder entdeckt, den Korken – kein Schraubverschluss! – abzuschnüffeln. Er roch würzig, leicht süßlich und pikant. Der Wein im großen Weinglas roch ansprechend und vollmundig. Jedoch wurden die Erwartungen, ein Wein nehme in 20 Jahren an Qualität, Reife und Geschmack zu, in diesem Fall weitestgehend enttäuscht. Ein Rotwein mit diesem Alter hätte sicherlich noch schmackhafter und erdiger geschmeckt als junger Rotwein. Diese Entwicklung hatte dieser 20 Jahre alte Weißwein aber nicht. Er schmeckte gut, würzig und gehaltvoll. Aber nicht außergewöhnlich. Es war kein großer Unterschied zu schmecken, als wenn man einen Pinot Grigio von 2010 trinkt. Vielleicht nur ein wenig kräftiger. Das war aber auch alles.
Die alten Weißheiten haben sich also wieder bewahrheitet. Und der Wein war leider nur normal trinkbar und rangierte eher „unter ferner liefen“.